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Alt werden, alleine sein, sterben – Den letzten Weg geht man (fast) allein

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Alt werden – für alte Menschen ist die Einsamkeit oft das größte Problem

Was ihr hier auf meinem Blog erlebt, ist eine Premiere. Denn heute veröffentliche ich hier meinen ersten Gastartikel.
Er stammt von meiner Freundin Ella, der Herzkindmama. Sie lebt seit einigen Monaten mit ihren Kindern in einem Mehrgenerationenhaus in der Steiermark. Vier Generationen finden sich hier unter einem Dach: Urgroßmutter, Großmutter, Mutter und zwei Enkeltöchter. Sie umspannen ein Altersspektrum von 4 bis 90 Jahren.
Und keiner muss sich alleine fühlen.

Alt werden, alleine sein, sterben

So hatte sich meine 90-jährige Oma das „alt werden“ wahrscheinlich nicht vorgestellt. Hatte sie doch Jahre lang mit ihrem grauen Kater in dem blauen Haus alleine gelebt. Einem großen Haus, welches sie einst zusammen mit ihrem Mann und zwei Schwestern bewohnt hatte. Sie, die alte Fellnerin – die Letzte, die übrig geblieben war.

Aber sie sollte nicht alleine bleiben. Denn vor etwa einem Jahr zog meine Mutter zu ihr, als sie in Pension ging, um meine Oma zu pflegen. Und im Sommer klopfte ich mit meinen zwei Töchtern an ihre Tür. Nun ist das blaue Haus wieder voller Leben und irgendwo dazwischen hängt der Tod.

Alt werden

Meine Oma, die ihr Zimmer mittlerweile nicht mehr verlassen kann, ist wieder Kind geworden. So ähnlich wie in Benjamin Button: Die Hauptfigur kommt als Senior zur Welt, entwickelt sich zum Kind zurück und ist am Anfang und Ende des Lebens auf andere Menschen angewiesen ist. So auch meine Oma, sie hat die Pflegestufe fünf.

Der Herz-Spezialist im Krankenhaus sagte uns, dass sie vielleicht noch drei Wochen zu leben hat. Das ist jetzt sechs Wochen her. Und nachdem ich viele Tage mit dem Gedanken an ihren Tod ins Bett gegangen und wieder aufgestanden bin, ist meine Erwartungshaltung mittlerweile gegen Null gesunken.

Ja, ich stehe sogar teilweise morgens auf und denke: Alles normal! Sie lebt. Vielleicht werde ich eines Tages tatsächlich überrascht sein, wenn sie nicht mehr da ist. Mit Kindern im Haus ist der Tod und die eigene Sterblichkeit nicht mehr so bedrohlich. Man lebt viel mehr in den Tag hinein.

Alt werden und allein sein

Du bist nicht allein

Als mein Opa väterlicherseits vor einem Jahr seine Frau verlor und bei der Beerdigung furchtbar weinte: „Nun bin ich allein, nun bin ich allein!“, ging meine damals dreijährige Tochter zu ihm, streichelte ihn und sagte: „Du bist nicht allein, ich bin doch da!“

Für mich ist der Tod irgendwie lange nicht mehr so bedrohlich, seit ich ihn nicht mehr als das Ende des Lebens betrachte. Es herrscht zwar noch die Angst vor dem Unbekannten vor, aber gleichzeitig schwingt etwas Neues, ja sogar spannendes mit.

Meine Oma schlief einmal bis in die Mittagsstunden. Als ich sie weckte und sie fragte ob sie gut geschlafen hätte, sagte sie: „Ich habe nicht geschlafen, ich war unterwegs!“ Sie schien sehr verwirrt zu sein. Ich fragte sie, wie sie heißt. Nach langem Überlegen sagte sie: „Ich bin die alte Fellnerin, die ganz Alte.“

Ein anderes Mal erzählte mir meine Oma von einer Nah-Tod Erfahrung – Jahre zuvor während einer ihrer Hüft-Operationen: Irgendwann während der Narkose verließ sie ihren Körper. Zwei beinlose Gestalten flogen mit ihr durch die Atmosphäre hinaus in das Weltall, wo sie die Erde von oben sah.

Sie kam an eine prächtige Blumenwiese mit zerfallenen Häusern. Viele bunte, wunderschöne Schlangen versperrten ihr den Weg und sie wurde wieder zurück gerufen. Sie sagte mir, sie wäre gerne geblieben, aber die Ärzte holten sie wieder zurück. Als sie wach wurde hörte sie diese sagen: „Sie ist wieder da!“

Alt werden und sterben

Manchmal denke ich mir: So soll es sein! Meine Oma hat Glück, sie ist nicht alleine. Und irgendwie ist sie doch oft alleine, wenn wir anderen drei Generationen im Haus geschäftig sind und sie allein in ihrem Zimmer ist. Dann höre ich sie über das „Oma-Phone“ mit sich selbst sprechen: „Lieber Herr im Himmel – Hilf mir!“

Ich wünsche meiner Oma, dass sie eines Nachts friedlich einschläft und sich bei mir im Traum verabschiedet, bevor sie sich auf den Weg macht durch die Atmosphäre und das All, hinüber zu der Blumenwiese mit den zerfallenen Häusern und den schönen bunten Schlangen.

***

Im Kreis seiner Lieben von dieser Welt gehen zu dürfen, stelle ich mir sehr schön vor. Oder was meint ihr dazu?

Mehr von der Herzkindmama erfahrt ihr auf ihrem Blog www.herzkindmama.de. Dort findet ihr auch den Gastartikel, den ich ihr geschrieben habe. Er trägt den Titel: Sorgen? Werden es mehr oder weniger?.

Ich stand dem Thema Gastartikel auf Blogs immer etwas skeptisch gegenüber. Aber ich habe festgestellt, dass die eine echte Bereicherung für alle Beteiligten sein kann. Zum Beispiel hätte ich einen solchen Artikel niemals schreiben können, weil ich diese Erfahrungen einfach nicht habe.
Wenn ihr Lust auf einen Gastartikel-Austausch mit mir habt, dann meldet euch bitte!

Alle Fotos: Alt werden, alleine sein, sterben – Den letzten Weg geht man (fast) allein ©frau-sabienes.de
Text: Alt werden, alleine sein, sterben – Den letzten Weg geht man (fast) allein ©herzkindmama.de
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Zusammenfassung:
Thema
Alt werden, alleine sein, sterben - Den letzten Weg geht man (fast) allein
Beschreibung
Alt werden und einsam zu sterben ist beängstigend. Hier berichtet eine junge Frau, wie sie mit ihren Kindern ihre sterbende Oma begleitet.
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