Manch ein Vertreter des männlichen Geschlechts versucht mir und anderen Mädels meines Alters ein heiteres Kompliment zu machen. Nämlich in dem er behauptet, dass man ganz bestimmt NIEMALS älter als achtzehn, zwanzig oder maximal dreißig Jahre aussehen würde.
Die Motivation der einzelnen Herren für solche unlauteren Bemerkungen lasse ich hier mal außen vor.
Aber da ich im nächsten Jahr meinen 60. Geburtstag feiern werde, ist das eine schöne Gelegenheit um zu überlegen, ob ich wirklich noch mal zwanzig sein möchte.
Und meine Antwort lautet: Nein.
Ich möchte nicht mehr zwanzig sein, weil:
- Ich dann alle diese fürchterlichen Dauerwellen noch mal ausprobieren müsste. Die waren nämlich in den 80ern unglaublich modern. Wenn man Glück hatte, sah man genau zwei Wochen lang gut damit aus. Danach waren dann die Haare zu nichts mehr zu gebrauchen.
- Tatsächlich war ich nie die typische Disco-Queen. Dennoch habe ich es nicht ausgeschlossen, dass eine Diskothek ein adäquater Ort sein könnte, an dem man seine Freizeit verbringt. Tatsächlich traf man in den typischen Discos hauptsächlich auf eine oberflächliche Gesellschaft. In den Clubs von heute wird das nicht anders sein.
- In jungen Jahren hatte ich immer das Gefühl, hässlich, dick und langweilig zu sein. Na gut, ich hatte damals Pickel. Unterm Strich aber haben mich solche Komplexe viel zu viel Energie gekostet.
- Ich würde noch mitten in der Ausbildung stecken und würde
- deswegen in dauernden Finanznöten stecken. Finanzielle Probleme zu haben ist etwas, was mich wirklich runterzieht.
- Ich müsste noch einmal durch die Führerscheinprüfung fallen. Damals war mir das sehr peinlich. Heute weiß ich, dass alle guten Autofahrer einmal durchfallen.
- Ich würde noch mit einer Neurotikerin aus dem Sudetenland zusammen wohnen. Wohngemeinschaften sind praktisch, können aber auch sehr anstrengend sein.
- Mir würden noch ein paar sehr bittere Erfahrungen bevorstehen.
- Ich müsste mir noch Gedanken um die Empfängnisverhütung machen. (Was war das für ein Stress, wenn einmal die Periode zu spät kam!)
- Mir die heutige Gelassenheit und Charakterstärke fehlen würde.
Was ich nicht mehr hören kann:
An meinem 24. Geburtstag meinte ein (total blöder und arroganter) Arbeitskollege meines Alters:
„Eine Frau mit Charakter bringt sich mit 25 um!“
Damals war ich entsetzt, aber heute falle ich auf einen solchen Schwachsinn nicht mehr herein. (Ich habe diesen Spruch auch nur deswegen aufgeschrieben um zu zeigen, wie doof manche Leute sind.)
Was ich aber wirklich nicht mehr hören kann, sind folgende Aussagen:
„Ich wäre gerne noch mal jung, aber mit dem Wissen, das ich heute habe!“
Die Entwicklung von Wissen und Erfahrung ist immer ein Prozess, der Zeit braucht. Wer sowas sagt, hat auch heute noch nicht allzuviel Wissen angehäuft.
„50 ist das neue 40!“
Diese Aussage gibt es in verschiedenen Ausführungen. Aber was sagt uns das? Dass die Messlatte nun höher aufgehängt wird?
Früher wurde man ganz einfach nicht so alt oder fühlte sich im Alter schlechter, weil die Lebensbedingungen auch viel ungesünder gewesen sind.
„Man ist so alt, wie man sich fühlt!“
Das ist eine ganz unerträgliche Plattitüde. Es gab Momente mit Zwanzig, in denen ich mich ganz schön alt gefühlt habe.
„Auch der Herbst hat seine schönen Tage …“
Und ja. Der Herbst ist schön! Wenn man ihn genießen kann.
Jugendwahn
Natürlich ist es schön, wenn man jung ist. Nie wieder stehen einem so viele Wege offen und nie wieder kann man dermaßen auf den Putz hauen, wie in jungen Jahren.
Gerade die späten 70er und 80er Jahre – als ich jung gewesen bin – waren eine Zeit des Aufbruchs und der neuen Ideen. Und ich habe diese Zeit wirklich sehr genossen.
Und natürlich ist es nicht schön, wenn man älter wird und die Gesundheit zum Streiken anfängt. Oder wenn man sich gar mit der Problematik von Rente und Altersarmut auseinander setzen muss.
Aber sollte ich deswegen in einen Jugendwahn verfallen und krampfhaft versuchen, zumindest äußerlich die Zeichen der Zeit extrem zu vertuschen? Oder gar beim Alter mogeln? Da macht man sich doch nur lächerlich. Eine Frau mit 50 oder 60 Jahren geht nur bei Fehlsichtigen als 30 durch.
Natürlich pflegen wir uns, verwenden Tinkturen, Salben und Nahrungsergänzungsmittel, damit wir gut aussehen und uns gut fühlen. Ich glaube aber, dass es schon ein Unterschied ist, ob man sich mal eine Creme mit Hyaluron zulegt oder in die Hände eines Schönheitschirurgen begibt. Ich kann zwar verstehen, dass Frauen, die im Licht der Öffentlichkeit stehen, sich da vermehrt Sorgen um ihre Außenwirkung machen müssen.
Tatsächlich haben es Schauspielerinnen in einem gewissen Alter schwer, gute Rollen zu finden. Inzwischen sagen aber auch Größen wie Cameron Diaz oder Juliette Binoche, dass sie nicht mehr jung sein möchten.
Aber auch wenn der Jugendwahn in unserer Gesellschaft in letzten Jahren etwas abgenommen hat, trifft er uns Frauen immer noch härter, als die Männer.
Fazit:
Es macht keinen Sinn, sich über etwas zu ärgern, was man nicht ändern kann. Jede Zeit hat ihre guten und schlechten Momente. Aber trotzdem: Ich möchte nicht mehr zwanzig sein! Und ich weiß noch genau, dass an dem Tag, an dem dieses Artikelbild entstanden ist, auch nicht alles rosig gewesen war.
Wie geht es euch mit der Vorstellung, alt zu werden oder zu sein?
Raus mit der Sprache! Ich will ehrliche Antworten!
Dieser Artikel erschien vor fast zehn Jahren auf meinem Blog Sabienes TraumWelten. Da er in das Konzept von jenem Blog nicht mehr so gut passt, habe ich ihn für diesen Blog umgearbeitet und aufgefrischt.