Bin ich nun Kunde oder Kundin? Eine Diskussion über Frauenrechte
Marlies Krämer, eine rüstige Rentnerin aus dem Saarland fühlt sich als Frau diskriminiert. Denn ihre Sparkasse spricht sie in Formularen nicht als Kundin, sondern mit dem männlichen Kunde an. Und das, obwohl sie eine Frau ist.
Sie scheiterte nun mit ihrer Klage vor dem Bundesgerichtshof, ihr Kreditinstitut darf sie nun weiterhin als Kunde titulieren.
„Was für eine herbe Niederlage für die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau und Kunde oder Kundin!“, könnte man sich nun beschweren.
Wenn man das denn wollte.
Was ist ein generisches Maskulinum?
Der VI. BGH-Zentralrat samt seinen drei Richtern und zwei Richterinnen entschied in diesem Fall, dass es sich bei dem verwendeten Begriff „Kunde“ oder „Kontoinhaber“ um ein sogenanntes generisches Maskulinum handelt.
Ein generisches Maskulinum verwendet man dann, wenn man der Einfachheit halber auf die Frage: „Bist a Manderl oder a Weiberl?“ nicht groß eingehen kann oder möchte.
Man ist sich zwar einig, dass diese Verwendung inzwischen umstritten ist, aber man beruft sich in dem Urteil auf eine 2.000jährige historisch gewachsene Übereinkunft.
Solche 1.000 und 2.000jährige Traditionen haben es natürlich immer sehr in sich und eigentlich sollten auch Richter nicht auf diese Weise argumentieren.
Allerdings könnte die Sparkasse nun hergehen, und netterweise die Formulare dahingehend ändern.
Die SPD redet schließlich auch von den Genossinnen und Genossen, die Kanzlerin von den Bürgerinnen und Bürger und so weiter.
Aber anscheinend stellt man sich hier stur.
Die Frau Krämer oder: Die Krämerin?
Frau Krämer – oder die Krämerin wie man nach jahrhundertalter bayerischer Tradition in diesem Fall sagen könnte – ist nach eigenen Angaben nicht männerfeindlich.
Sie hat nach dem frühen Tod ihres Mannes die vier Kinder alleine groß gezogen. Und das war für die heute 80jährige damals bestimmt kein Zuckerschlecken. Mit 50 hat sie dann noch einmal die Schulbank gedrückt und Soziologie studiert. Das war wohl ihr Coming Out in Sachen Frauenrechte.
Denn ihr Kunde-oder-Kundin-Fight ist nicht das erste Mal, dass man sie auf den Barrikaden sieht.
Bin ich nun Kunde oder Kundin?
Ich weiß nicht, wie es euch dabei geht. Wäre euch eine solche Unterscheidung sehr wichtig?
Ehrlich gesagt ist mir das eigentlich total egal. Ich fühle mich so und so angesprochen und eigentlich finde ich dieses Genossinnen-Genossen-und-Bürgerinnen-Bürger-Gewese ziemlich sperrig und fast schon ein bisschen verlogen. Denn für die Rechte der Frauen bringt das noch gar nichts und ist eigentlich reine Kosmetik.
Selbst wenn die Krämerin vor Gericht gesiegt hätte, gäbe es für Frauen keine gerechten Löhne und es wären Frauen nicht mehr von Hartz IV und Altersarmut betroffen, als Männer. Es gäbe kein bisschen weniger Diskriminierung, sexuelle Übergriffe und keine Heidi Klum mit ihrer frauenverachtenden GNTM.
Was ich damit meine ist, dass hier viel zu viel Energie für einen Kleinkrieg vergeudet wird.
Genderquatsch
Und vielleicht ist diese ganze Betrachtung, egal ob Kunde oder Kundin, Pirat oder Piratin sowieso ein typisch deutscher Genderquatsch. Viel wichtiger als politische Korrektheit ist das, was die Menschen wirklich fühlen. Und da finde ich die Urteilsbegründung noch fast diskriminierender, als die Endung -in.
Und bestimmt habe ich zu Hause keine Salzstreuerin, keine Rasenmäherin, keine Kugelschreiberin und keine Computerin!
Doch halt!
Ihr lernt jetzt wahrscheinlich euer erstes Wort in Isländisch. Denn dort, im Land der Vulkane, Gletscher und Elfen heißt der Computer Tölva. Das ist ein zusammengesetzter Begriff aus den Wörtern Tala=Zahl und Völva=Wahrsagerin.
Und das findet mein Computer sehr nett!
Übrigens: Frau Krämer will weiter kämpfen und liebäugelt nun mit dem Europäischen Gerichtshof. Und hier habe ich noch einen guten Artikel auf der SZ zu dem Thema.
Was sagt ihr zu dieser Angelegenheit?
10 thoughts on “Bin ich nun Kunde oder Kundin? Eine Diskussion über Frauenrechte”
Ich schließe mich deiner Meinung „viel zu viel Energie“ für einen Kleinkrieg zu 100% an. Ich selber entscheide, ob ich etwas diskriminierend finde, ob ich die „Kränkung“, die ja nichtmal so gedacht ist, zulasse.
Kann da nur völlig verständnislos den Kopf schütteln.
Schöne Grüße
Birgit
Liebe Sabine,
das ist ein bisschen wie mit der Berieselung in Kaufhäusern: Wir nehmen sie kaum noch bewusst wahr, sie beeinflusst aber dennoch unsere Kaufentscheidungen. Ich finde das Anliegen der Dame berechtigt, denn es ist erwiesen, dass einseitige Sprache die Wahrnehmung, dass es da auch um Frauen gehen könnte, ausblendet. Die Diskussion schwappt ja derzeit durchs Internet und ich wundere mich, dass ich auch Äußerungen von Frauen lese, die das de facto ganz in Ordnung finden, dass sie sprachlich hinten runter fallen. Aber gab es nicht auch vor 50 Jahren Frauen, die mit ihrer Rolle zu Hause zufrieden waren und fanden, dass alles so bleiben könne, wie es ist? Auf einem tradierten Zustand zu beharren kann auch ein Ausdruck dafür sein, dass man Sorge hat, was passieren könnte, wenn sich um einen herum die Dinge ändern. Ihr Leben vor dem Herd zu verbringen, an jeder Hand ein Kind, können sich Frauen heute als ausschließliches Lebensmodell in der Mehrzahl nicht mehr vorstellen, auch wenn sich mit der Abkehr vom früheren Familienmodell neue Probleme aufgetan haben.
Damit meine Aussage von der Wahrnehmung von Frauen über die Sprache nicht im Ungefähren bleibt, füge ich hier einen Blogbeitrag des Sprachwissenschaftlers Anatol Stefanowitsch bei, der an der FU Berlin Sprachwissenschaften lehrt: http://www.sprachlog.de/2015/06/09/geschlechtergerechte-sprache-und-lebensentscheidungen/
Viele Grüße
Ina
P.S.: Ich habe mich anlässlich des Weltfrauentags mit der Wahrnehmung der Frau und ihrer Situation in der Gesellschaft beschäftigt, wenn auch nicht mit dem sprachlichen Aspekt -> http://www.gesellschaftskritik.com/2018/03/herzlichen-gluckwunsch-zum.html
Das bestätigt mich wieder in meiner Meinung: egal ob als Frau, Fräulein, Kundin, Bürgerin, Mitarbeiterin. .. betitelt
Wichtig sind die Taten, was nützt es ein
„-in“ als Endung zu verwenden und gleichzeitig werden Frauen nicht gleichwertig behandelt
@Birgit: Ich denke, man kann Wert darauf legen, man muss aber nicht. Aber tatsächlich wäre es in diesem Fall für die Sparkasse ein Leichtes gewesen, die Formulare dahingehend zu ändern. Dass die sich auf einen solchen Kleinkrieg eingelassen haben, verstehe ich nicht.
LG
Sabienes
@Ina: Ich kann deine Argumente gut nachvollziehen und sie sind es wert, darüber nachzudenken. Besonders dein Beispiel mit der Berieselung.
Vielleicht haben wir uns wirklich schon viel zu sehr an diese Sprachwahl gewöhnt?
Danke für deine Links, zumal ich ja nun weiß, dass du noch bei einem anderen Blog mitarbeitest. Ich werde mir die Texte einmal in Ruhe durchlesen, im Moment fehlt mir leider die Zeit dazu.
LG
Sabienes
@Annabelle: Ja. So denke ich auch. Das ist wie mit „Negerkuss“ und „Schokoladen-Schaum-Gebäck“.
LG
Sabienes
Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust … Auf der einen Seite bin ich „frauenbewegt“ seit 1969. Auf der anderen Seite ist mir das generische Maskulinum als Journalistin bestens vertraut. Ich mag es sogar, denn es vereinfacht den Lesefluss. All diese neudeutschen gendergerechten Schreibweisen gehen mir gewaltig auf den Keks. Allem voran: Texte werden länger. Durch die Einklammerung des „in“ werden Frauen sogar „weggeklammert“, was auch eine Form der Hierarchisierung und Diskriminierung darstellt. Ähnliches gilt für die Schrägstrichvariante. Bei der Binnen-I-Variante hingegen entsteht oft sogar der Eindruck eines Tippfehlers. Schön sieht anders aus! Das gilt auch für die Sternchen- und die Unterstrichvariante.
Grundsätzlich ist es eine schöne Idee, Menschen beiderlei Geschlechts anzusprechen und ebenso Menschen einzubeziehen, die sich nicht klar einem Geschlecht zuordnen können oder wollen. Doch nicht jede schöne, demokratische Idee erleichtert den Alltag. Im Gegenteil: Durch das seit einigen Jahren allgemein herrschende Klammer-Schrägstrich-Binnen-I-Sternchen-Unterstrich-Gewusel schließen viele Autoren (sic!) Menschen mit Leseschwächen und/oder Nicht-Muttersprachler aus. Was wiederum eine Form der Diskriminierung darstellt. Texte sollten lesbar – und sprechbar! – sein. Für alle.
Ich wünsche mir mehr Gelassenheit im Umgang mit unserer Muttersprache, mehr Respekt ihr gegenüber in den sozialen Netzwerken (grauenhaft, wie da unsere Sprache verstümmelt wird!) und nicht zuletzt endlich Gleichberechtigung von Frauen und Männern in Alltag und Beruf. Dann können wir nämlich auf gendergerechte Schreibweisen pfeifen!
@Sissi: Ich stimme dir zu: Mehr Gelassenheit im Umgang mit der Sprache wäre der bessere Weg. Und dann könnten wir unsere Energien auf die wirklich wichtigen Themen fokussieren. Mir ist es nämlich egal, ob ich als Kunde oder Kundin angesprochen werde. Aber wenn ich als Kundin im Autohaus gefragt werde, ob ich überhaupt ohne meinen Mann einen Kaufvertrag unterschreiben darf, dann gehe ich auf die Barrikaden (ist mir tatsächlich so passiert!)
LG
Sabienes
Liebe Sabiene, ich finde auch, die Sparkasse könnte es mit Leichtigkeit ändern. Aber daraus ein langes hin und her zu machen ist verschwendete Energie, die anderswo besser investiert werden könnte. Liebe Grüße, Ella
@Ella: Zumal sich diese Ansprache anscheinend nur auf einige Formulare bezieht. Da lassen es wohl beide Seiten ordentlich krachen, warum auch immer.
LG
Sabienes
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